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Quelle: AMATIN AG 2024

Neue EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit

Dieser Beitrag wurde verfasst von Sandra Klemm, Partnerin bei AMATIN AG Rechtsanwälte und Franz Saladin, Saladin Public Affairs. Beide sind langjährige Experten im Nachhaltigkeitsbereich und unterstützen und begleiten Unternehmen in Nachhaltigkeitsaspekten.

In den nächsten Tagen tritt die neue EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, «CSDDD») in Kraft, welche Unternehmen zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsaspekten in die Unternehmenstätigkeit und die Unternehmensführung verpflichtet. Ziel der Richtlinie ist es, die Pflichten grosser Unternehmen bezüglich tatsächlicher und potenzieller nachteiliger Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt EU-weit zu definieren. Im Weiteren sind Haftungsregeln bei Verstössen gegen die obengenannten Verpflichtungen vorgesehen.

Der nachfolgende Beitrag zeigt auf, welche Unternehmen, und dazu zählen auch Schweizer Unternehmen, von den neuen Regelungen direkt oder indirekt betroffen sind und wie sie sich auf die Umsetzung der CSDDD vorbereiten können.

Bedeutung und Ziel der Richtlinie

In den letzten Jahren entstanden in den EU-Mitgliedstaaten sowie in der Schweiz mehr und mehr rechtliche Regelwerke und Initiativen betreffend Pflichten von Unternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte. Diese Initiativen und Regelungen spiegeln den zunehmenden Wunsch wider, Unternehmen in ihren Bemühungen zu unterstützen, in ihren Wertschöpfungsketten eine Sorgfaltspflichtprüfung durchzuführen und ein Geschäftsverhalten zu fördern, das die Menschenrechte, Arbeitsbedingungen und die Umwelt respektiert.

Die CSDDD wurde am 24. Mai 2024 vom Europäischen Rat formal angenommen. Sie tritt in den nächsten Tagen in Kraft. Die Mitgliedstaaten haben 2 Jahre Zeit, die Vorgaben der Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

Geltungsbereich der CSDDD

Vom Geltungsbereich der CSDDD erfasst sind EU-Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern und einem weltweiten Nettoumsatz von EUR 450 Millionen, wobei die Verpflichtungen der Richtlinie stufenweise für Unternehmen in Kraft treten in Abhängigkeit der Unternehmensgrösse und deren weltweiten Nettoumsatz:

  • ab 2027 für Unternehmen mit 5000 Mitarbeitenden und einem weltweiten Nettoumsatz von EUR 1.5 Mia
  • ab 2028 für Unternehmen mit 3000 Mitarbeitenden und einem weltweiten Nettoumsatz von EUR 900 Millionen
  • ab 2029 für Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitenden und einem weltweiten Nettoumsatz von EUR 450 Millionen.

Nicht-EU-Unternehmen sind betroffen, wenn sie einen Jahresumsatz von mindestens EUR 450 Millionen in der EU erwirtschaften. EU und Nicht-EU Franchisegeber und Lizenzgeber fallen ebenfalls unter die CSDDD, sofern sie Lizenzgebühren von mehr als EUR 22.5 Millionen und mehr als EUR 80 Millionen Nettoumsatz in der EU erzielen. Kleine Unternehmen, die primär nicht unter den Geltungsbereich der CSDDD fallen, können indirekt als Glied in der Wertschöpfungskette betroffen sein, da grosse Unternehmen die Anforderungen an ihre Partner weiterreichen werden und die Einhaltung der CSDDD auch bei ihren Partnern erwarten und überprüfen werden. Dies bedeutet, dass kleine Unternehmen ebenfalls ihre Prozesse und Risiken überprüfen und Systeme zur Datenerhebung von ESG-Kriterien bereitstellen müssen. Dies bringt Kosten einerseits und Risiken andererseits mit sich, sollten kleine Unternehmen die Erwartungen der grossen Unternehmen nicht erfüllen und die Beendigung der Geschäftsbeziehung droht.

Festlegung und Überwachung der Umsetzung der Sorgfaltspflicht sowie Berichterstattung

Die in der Richtlinie geforderte, risikobasierte Due Diligence-Prüfung umfasst alle Geschäftspraktiken der vor- und teilweise der nachgelagerten Geschäftspartner des Unternehmens. Die CSDDD verlangt auch eine vernünftige Einbindung von betroffenen Interessengruppen («Stakeholder Management») sowie das Vorsehen von Beschwerdemechanismen. Whistleblower sind ebenfalls zu schützen. 

Die Mitglieder der Unternehmensleitung sind verantwortlich für die Festlegung und Überwachung der Umsetzung einer risikobasierten Sorgfaltspflichtsprüfung als Teil der Unternehmensstrategie. Die Unternehmensleitung muss Massnahmen zur Anpassung der Geschäftspläne, Unternehmensstrategie und Geschäftstätigkeiten ergreifen, um den tatsächlichen und potenziellen nachteiligen Auswirkungen Rechnung zu tragen. Diese Strategie hat ein Konzept, einen Verhaltenskodex und Verfahren zur Due Diligence zu umfassen. Die Unternehmensleitung erstattet dem Verwaltungsrat diesbezüglich Bericht. Sie hat sodann einen «Klimaübergangsplan» für die Eindämmung des Klimawandels zu erstellen, mit dem Ziel, die globale Erwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen. Die Unternehmensleitung ist schliesslich verantwortlich, Geschäftsbeziehungen zu beenden, wenn nachteilige Auswirkungen vom Geschäftspartner nicht verhindert oder beendet werden.

Die CSDDD enthält in ihren Anhängen eine umfangreiche Liste von Verstössen. Umfasst sind Verletzungen im Bereich des Arbeitsrechts, der Menschenrechte sowie internationale Umweltvorschriften.

Zivilrechtliche Haftung & öffentliche Vollstreckung

Gemäss Richtlinie kann ein Unternehmen zivilrechtlich zur Haftung gezogen werden, wenn es vorsätzlich oder fahrlässig bei einer natürlichen oder juristischen Person aufgrund der Verletzung von Sorgfaltspflichten zur Verhinderung oder Beendigung von Risiken und einen Schaden verursacht. Ein Unternehmen kann gemäss der CSDDD jedoch nicht haftbar gemacht werden, wenn der Schaden nur von seinen Geschäftspartnern in der Aktivitätskette verursacht wurde. Die Richtlinie enthält zudem Bestimmungen für den erleichterten Zugang zu den Gerichten und zu Beweisen (auch wenn keine Beweislastumkehr gewährt wird).

Um die Umsetzung der Richtlinie sicherzustellen, hält die CSDDD im Weiteren fest, dass die Mitgliedstaaten eine oder mehrere nationale Aufsichtsbehörden benennen sollten. Diese können Untersuchungen durchführen und Sanktionen verhängen. Die CSDDD sieht beachtliche Geldstrafen bis 5 % des Nettoumsatzes des Unternehmens vor. Schliesslich gilt es auch die öffentliche „Anprangerung“ im Falle eines bekannt gewordenen Verstosses und den damit verbundenen möglichen Reputationsschaden nicht zu unterschätzen.

Unsere Handlungsempfehlungen für Unternehmen:

Hier finden Sie unsere Handlungsempfehlungen, um sich auf die CSDDD vorzubereiten:

  • Bereiten Sie sich darauf vor, dass Sie als Zulieferer verstärkter Due-Diligence-Prüfungen und Audits von grösseren Geschäftspartnern ausgesetzt sein werden.
  • Machen Sie das Thema ESG und die Due Diligence-Prüfung zum Bestandteil der Unternehmensstrategie und kommunizieren Sie diese aus der Unternehmensleitung heraus.
  • Entwickeln Sie für sich und in Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern Massnahmen und setzen diese um, um negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt zu erkennen, abzumildern oder zu beenden und Rechenschaft darüber abzulegen.
  • Überprüfen Sie bestehende Due-Diligence Prozesse und führen Sie eine «risikobasierte» Due-Diligence-Prüfung neuer und bestehender Geschäftspartner und anschliessende Audits durch (unter Verwendung bestehender oder aktualisierter Due-Diligence-Instrumente).
  • Überprüfen Sie bestehende Risiko-Analysen in Ihrem Unternehmen, erweitern diese bei Bedarf und betreiben Sie ein sinnvolles Stakeholder Management.
  • Überprüfen Sie Ihre (IT-)Systeme zur Datenerhebung von ESG-Aspekten.
  • Seien Sie auf vertragliche Verpflichtungen und Vertragsstrafen für den Fall der Nichteinhaltung von ESG-Verpflichtungen vorbereitet.
  • Integrieren Sie vertragliche Verpflichtungen und Vertragsstrafen in Ihre Verträge mit Geschäftspartnern. Holen Sie in diesem Zusammenfang vertragliche Zusicherungen und regelmässige Rückversicherungen von Geschäftspartnern ein.
  • Ergreifen Sie geeignete Massnahmen und Sanktionen im Falle eines Verstosses oder Versäumnisses zur Schadensbegrenzung (einschliesslich Vertragskündigung und ggf. Geltendmachung weiterer rechtlicher Ansprüche).

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